«Es fühlt sich einfach richtig an mit Vinyl zu spielen»

Leo Gretener, Zürich Von Dominik André am

Leo Gretener gehört zu den jüngsten Resident-DJs Zürichs, obwohl er schon viele Jahre  alle paar Wochen in der Booth des Clubs Zukunft steht.

Was man über Leo Gretener wissen muss? Der junge Mann ist Resident in einem von Zürichs angesagtesten Clubs, er sammelt leidenschaftlich Platten, steht, wenn nicht hinter den Plattenspieler, direkt vor dem DJ und schaut ihm genau auf die Finger. Der Zukunft Resident weiss, wie man das Publikum glücklich macht. Er schafft dies mit einem breiten Spektrum an Musik und dem Händchen für die richtige Platte im richtigen Moment.

Wir haben uns mit ihm an einem schönen Nachmittag im Volkshaus getroffen und mit ihm über Vinyl, seine Tätigkeiten und das Nachtleben geplaudert.

Du bist aktiver DJ und gehörst bereits mit jungen Jahren fest dem Zürcher Nachtleben an. Welche musikalischen Projekte verfolgst du zurzeit?

Leo: Momentan bin ich nur DJ. Musik selber produzieren finde ich schon interessant, das ist aber noch mal was ganz anderes als auflegen, es braucht viel Zeit und die nehme ich mir gerade nicht. Mein Bruder ist da jedoch auf einem interessanten Weg, ich bin gespannt.

Clubs sehen auch wieder mehr den Wert eines guten DJs, selbst wenn er nicht produziert. Man sieht dich ja nicht nur Solo auflegen, mit deinem Vater zusammen verfolgst du ebenfalls ein musikalisches Projekt..

Leo: Ja, als Father & Son, das ist recht witzig. Es sind momentan aber keine Auftritte zusammen geplant. Wir nehmen allerdings ab und zu gemeinsame Mixes auf, die wir auf Dubsearch, dem Blog meines Vaters, veröffentlichen. Manchmal findet man dort auch ein Mix nur von mir alleine oder von Gast-DJs.

Stream: Voyageur Sans Billet

Dein Vater ist selbst DJ, so bist du bestimmt schon früh mit dem Auflegen in Kontakt gekommen?

Leo: Klar! Im Haushalt, in dem ich aufgewachsen bin, lief immer Musik, sprich, wir haben auch eine grosse Plattensammlung Zuhause, so bekommt man automatisch den Zugang zur Musik. In dieser Sammlung findet man auch so ziemlich jeden Musikstil, dadurch lernte ich auch vieles kennen, das mich auch beeinflusst hat und natürlich noch immer beeinflusst.

So bist auch zum Vinyl gekommen, nehme ich an?

Leo: Als kleiner Junge hatte ich bereits einen Plattenspieler, so ein Plastikding. Darauf habe ich die immer gleiche Platte durchgespielt. Da war so ein furchtbares italienisches Lied darauf. Ich hab es mir erst kürzlich angehört. Schrecklich! Auf jeden Fall habe ich dadurch schon früh gelernt mit Platten und Plattenspielern umzugehen. Mit ungefähr 12 habe ich dann begonnen für Freunde Mixes aufzunehmen. Okay, Mixes ist vielleicht etwas übertrieben. Es waren einfache Zusammenstellungen verschiedener Stücke, die mir gefielen. Das weckte schon früh mein Interesse für das Mixen. Ich wollte wissen, wie das Ganze funktioniert; Musik aneinanderzureihen, dass es am Ende auch passt.

Kann man dich dem entsprechend als Vinylpurist betiteln?

Leo: Das ist noch schwierig so allgemein zu sagen. Neben all den Platten besitze ich auch eine riesige digitale Musiksammlung. Jedoch habe ich noch nie Musik zum Auflegen digital gekauft. Für mich ist das Haptische am Vinyl das Schöne, der Gegenstand an sich, den man in die Hand nehmen kann. Digital hat, so blöd es klingt, einfach nicht so viel Wert. Zum Auflegen kenne ich es auch nicht anders. Zudem kann ich mir Titelnamen nur schlecht merken, deshalb bin ich froh, habe ich ein Cover, an dem kann ich mich immer orientieren. Und die Vorstellung, dass ich an einem CDJ-Knöpfchen drehen muss, um meine Tracks zu finden, gefällt mir auch nicht.

Ich bin nicht jemand, der findet, Vinyl ist das Beste und alles andere ist scheisse. Aber Vinyl kann in gewissen Situationen und in bestimmten Clubs besser klingen.

Dazu kann man vielleicht auch noch ergänzen: Digital brauchst du nicht unbedingt die gleiche Vorbereitung wie mit Vinyl. Du kannst immer deinen Speicher erweitern und die neuen Stücke, die dir gefallen abspeichern, so hast du immer alles dabei. Bei Vinyl geht das nicht. Du musst dich vorbereiten und eine Auswahl treffen oder die Plattenkiste wird einfach verdammt schwer.

Man schränkt sich durch das Medium selbst schon ein bisschen ein. Die Vorselektion findet bereits zu Hause statt.

Leo: Genau. Manchmal nehme ich auch bewusst weniger Platten mit in den Club. Dann spiele ich halt mal eine B-Seite. Das merkt kein Mensch und mir macht es auch mehr Spass, weil, wenn du eingeschränkt bist, musst du manchmal auf Unerwartetes reagieren, dabei entstehen dann spannende Mixes.

Macht es für dich einen Unterschied, ob jemand mit Platten oder digital auflegt?

Leo: Für mich macht es keinen Unterschied ob jemand Vinyl, CDJs oder gar den Laptop zum Auflegen verwendet. Ich bin nicht jemand, der findet, Vinyl ist das Beste und alles andere ist scheisse. Vinyl kann in gewissen Situationen und in bestimmten Clubs besser klingen. Es hat aber auch sehr viele Nachteile: Staub, Kratzer, Kondenswasser.. Für mich fühlt es sind einfach richtig an mit Vinyl zu spielen. Ich finde es schön, wenn es mal knackst. Für mich ist es auch nicht schlimm, wenn die Nadel mal springt. Ich liebe einfach die Platte als Gegenstand, mit dem man etwas machen kann.

Dann laufen die Tracks halt auseinander, wenn die Plattenspieler nicht gut eingestellt oder schlecht gewartet sind..

Die Plattenspieler müssen schon sehr gut eingestellt sein. Da bin ich pingelig. Aber in der Situation, in der die Nadel springt oder die Stücke auseinander laufen, musst du das Beste herausholen. Es ist dann, wie es ist. Supercleane Sets sind sowieso langweilig, nicht?


Einer der jüngsten Resident DJs Zürichs: Leo Gretener.

Kann ich nur bestätigen. Kleine Fehler gehören auch dazu. Andere Frage: Wie wird man Resident in der Zukunft?

Indem man gut spielt. - Denke ich. Und sicher muss man die richtigen Leute kennen. Ausdauer und Geduld braucht es ebenfalls und natürlich viel Glück. Bei mir hat sich das so entwickelt. Anscheinend haben sie Freude an mir und an dem was ich mache.

Du bestätigst die Freude an deinem Tun auch regelmässig.

Ja, ich denke schon. Sonst würden sie mich wahrscheinlich nicht buchen. Die Zukunft hat viele Resident DJs, deshalb freut es mich, dass ich da regelmässig zum Zuge komme.

Angefangen mit der Zukunft hat das schon früh, denn ich ging immer dorthin, um bestimmte DJs zu hören. In dieser Zeit war ich sehr oft alleine in den Clubs unterwegs. Das mache ich auch heute noch, zwar nicht, weil niemand mitkommen würde, wie früher manchmal, mehr, weil ich so ungestört Musik hören kann. Obwohl so alleine dann auch wieder nicht, die kennen mich ja langsam..

Ich glaube, ausschlaggebend dafür, dass sie mir die Chance gaben, um in ihrem Club zu spielen, war, dass ich als jemanden der noch recht jung ist, so grosses Interesse für diese Musik zeigte und der zudem noch Mixes macht, die funktionieren.

Mich interessiert der DJ im Club. Wie mixt er, wieso wählt er welche Platte aus und und und..

Darum bin ich auch nächtelang neben dem DJ-Pult gestanden und habe dem DJ zugeschaut, wie er es macht und dabei habe ich sehr viel mitgenommen für mich selber als DJ.

Du hörst ja auch viele Mixes. Du schickst mir immer wieder etwas, das ich mir anhören soll.

Ja, natürlich. Das ist einerseits eine Inspirationsquelle und anderseits entdecke ich viele neue Musik beim Hören. Ich bin jemand, der nicht gerne einzelne Stücke hört. Oder Playlists zusammenstellt. Ich höre gerne ganze Alben von A bis Z oder das gleiche Stück 50x hintereinander. Wenn ich aber zum Beispiel bei Freunden bin und die dann so kommen: "He du bist doch DJ, mach mal ein bisschen Musik." In dieser Situation habe ich keine Ahnung was ich spielen soll. Es interessiert mich nicht auf der Stelle Musik zu machen. In diesem Moment habe ich vielleicht unglaublich Lust auf irgendwelche Italo-Disco-Hits, die ich sehr toll finde, die Anwesenden wahrscheinlich nicht so.

Gemixt werden manche Tracks auch viel spannender, weil sie in einem ganz anderen Kontext gehört werden. Das hört man bei mir denke ich auch, da ich gerne verschiedene Musikstile zusammenmische, deren Kombination man vielleicht nicht unbedingt erwartet.

Viele Tracks sind nur im Mix besonders gut. Wenn man sie einzeln hörte, käme man gar nicht auf die Idee, wie gut sie eigentlich sind. Ein Freund von mir nennt Tracks, welche in einem Set besonders herausstechen, Trigger-Tracks. Das sind solche, die dich plötzlich mitreissen und auf die Tanzfläche holen. Mich würde interessieren, welche Mixes dir die meiste Inspiration geben?

Mixes, die ich eigentlich immer höre, sind die Beats in Space Mixes, die Solid Steel Mixserie, die Dekmantel Podcasts, aber auch Mixes, welche ein DJ für sich macht und veröffentlicht.

Boiler Room?

Sehe ich mir eigentlich gar nicht an. Ich finde Boiler Room so.. Na ja. Es ist mir etwas viel Show. Vom Konzept her geht es auch gar nicht anders. Man tanzt gegen eine Wand voller Kameras, hinter dir stehen die Leute. Man muss zwangsläufig eine Show abziehen. Ich finde es jedoch gut, gibt es etwas wie Boiler Room. Es braucht es offensichtlich auch. Ich bin einfach lieber selber an einer Party, als Menschen beim Tanzen zuzusehen.

Du veranstaltest selbst Partys. Wir haben dich damals besucht in Luzern. Touristica hiess die Party, wo du mit Kejeblos und Condor zusammengespielt hast..

Ja, im Klub Kegelbahn in Luzern spiele ich sehr gerne. Der Club hat echt die perfekte Grösse, super entspannte Leute und eine sehr gute Anlage. Cool wäre es, auch in Zürich etwas Ähnliches zu haben, wo man relativ einfach und unkompliziert mit befreundeten DJs spielen kann. Das versuchen wir immer mal wieder in Zürich, was aber mangels verfügbaren Räumen nicht ganz einfach ist.

Jeder Plattenladen hat seine Eigenheiten, die sich im Sortiment widerspiegeln und was das Diggen unglaublich spannend macht.

Es gibt so viele, die sich darüber beschweren. Es ist meiner Meinung nach nicht berechtigt. In Zürich passiert sehr viel. Man kann extrem viel machen an einem Wochenende, das Angebot ist riesig! Die Stadt ist hingegen relativ klein, da kann man nicht erwarten, dass bei dieser Auswahl jede Party die Beste wird. Meiner Meinung nach ist es schade, dass sich oft das Konzertpublikum nicht mit dem Clubpublikum überschneidet. Viele Leute gehen zwar an Konzerte und machen da eine Bombenstimmung, gehen dann aber nicht in einen Club, weil es ihnen da zu doof ist oder was weiss ich.

Man hört oft über die Zukunft, sie sei das neue Kaufleuten..

Das ist doch ein Witz. Es gibt Abende, an dem ein bekannter Name spielt und deshalb ein Publikum anzieht, welches auch im Kaufleuten verkehren könnte. Das ist auch nicht verwunderlich. Die Zukunft hat inzwischen ebenfalls eine grössere Bekanntheit und erreicht nicht mehr bloss das Szenepublikum. Von der Aussage: «Es ist nicht mehr wie früher und damals war alles besser», wie man sie häufig hört, bin ich überhaupt kein Fan. Es war, und es wird nicht jede Party super sein. Am Schluss erinnert man sich sowieso nur an die guten Abende.

Wenn du dir ein Line-up für ein Festival oder eine Clubnacht zusammenstellen könntest, welche 3 Acts würden, beziehungsweise müssen da spielen?

Garantiert würde ich den Jackmaster buchen. Daneben Gerd Janson und Ata. Ben UFO vielleicht auch noch. Klar sind sie alle sehr bekannt, ich finde sie faszinierende DJs, die man unbedingt erlebt haben muss.

Noch eine Frage zum Abschluss: Wo kaufst du deine Platten?

Ich kaufe fast alles online bei Juno. Weil es am einfachsten ist. Wenn ich Lust und Zeit habe, gehe ich bei Zero Zero oder HUM vorbei. Von allen Plattenläden gehe ich jedoch am liebsten zum 16Tons. Bei 16Tons kann man wirklich bestimmte Platten suchen und findet meist etwas, was man gar nicht gesucht hat. An einem Plattenladen ist das Schöne, dass man immer wieder Neues entdecken kann. Auch hat jeder Laden seine Eigenheiten, die sich im Sortiment widerspiegeln, was das Diggen unglaublich spannend macht.


Titelbild: Leo Gretener by Press