«Die Leute schubladisieren nach dem was sie online gehört haben»

Kejeblos, Phantom Island Von Dominik André am

Ein Jahrzehnt lebt Kejeblos in Zürich. Er wirkt im Untergrund und stellt sich  nicht gerne ins Scheinwerferlicht. Zeit sein Schaffen zu beleuchten.

Viele leben ein ganz normales Leben, ohne sich aus der Masse abzuheben. Sie streben aber mit jeder ihrer Zellen danach sich selbst mit einer noch so kleinen Eigenart künstlerisch und ausgefallen darzustellen. Wiederum gibt es die, welche einfach nur sich selbst sein, und ihrer Leidenschaft nachgehen wollen. Es sind dann genau diejenigen, die sich dadurch auf eine positive, sympathische Art vom Rest unterscheiden. Ein solches Exponat ist Michael Büchel, besser bekannt als Kejeblos.

Im Licht der Plattenspieler: Auftritt im Kapitel Bern. Foto: Dominik André

Bevor Kejeblos nach Zürich kam, wuchs er in Liechtenstein und Umgebung auf und wurde da auch musikalisch sozialisiert. Vor allem seine älteren Schwestern und die Zeit am Gymnasium in Feldkirch legten die wichtigen Grundpfeiler, auf denen nun sein Dasein als DJ und Vinyl-Digger beruht. Die Zeit am Gymnasium war auch die, in der Kejeblos aufzulegen begann; in Bars, wo viel House, vor allem aus Detroit, gespielt wurde.

Inzwischen gehört Kejeblos zu Zürich und prägt mit seinen DJ-Sets und seinem Label Phantom Island den Sound der Stadt massgeblich mit. Schon kurz nach seiner Ankunft in Zürich nahm ihn Lexx unter seine Fittiche. Lexx gehört zu den Aushängeschildern der Stadt und seine Remixe findet man auf namhaften Labels wie Permanent Vacation oder Golf Channel. So ist es dann auch nicht erstaunlich, dass Lexx als wichtigen, vielleicht sogar als wichtigsten Einfluss für Kejeblos gilt. Doch nicht nur Lexx, auch Oli und Michel von Hum Records und die Freundschaft zu den Jungs vom Redlight Records in Amsterdam, die sich über die Jahre entwickelt hat, waren prägend.

Der Digger

Nach kurzem Nachdenken schmunzelt Kejeblos und meint: «Ja, eigentlich ist es schon schön, immerhin geht es um die Musik und um nichts anderes», auf die Frage, wie er es findet, den Ruf als Vinyl-Digger innezuhaben. Man merkt schnell, er stellt sich selbst nicht gerne in den Mittelpunkt. Die Musik ist das, was zählt. So mag er es auch nicht, sich durch aktives Bewirtschaften seiner Social Media Kanäle zu vermarkten.

Im Laufe des Gesprächs kamen wir zum Schluss, dass es wohl heute irgendwie dazugehört, eine Überpräsenz allerdings auch unsympathisch wirken kann. Kejeblos ist sympathisch still auf Facebook und Co. und macht sich dadurch erst recht spannend. Das Gespräch, bei dem ich Kejeblos etwas besser kennenlernen darf, führten wir in Bern. Einige Stunden vor seinem Auftritt im Kapitel Bollwerk.

«Mit den Jahren erkennst du sofort, ob eine Platte etwas sein könnte oder eben nicht.»

Natürlich liess er sich es nicht nehmen, schon am Nachmittag nach Bern zu fahren, um im Plattenladen Oldies Records vorbeizuschauen. Wobei vorbeischauen etwas untertrieben wäre. Wir tauchten ab in die hintersten Ecken des Ladens, der bis unters Dach gefüllt mit Platten ist. Jeder andere wäre mit der Fülle an Vinyl schlicht überfordert, nicht so Kejeblos, der fühlt sich hier sichtlich wohl. So ist seine Antwort auf die Frage, wo er sich gerne aufhält, nicht sein Zuhause, ein Park oder eine Feriendestination, sondern ganz einfach: «Plattenläden».

Gäbe es keine festen Öffnungszeiten, man wäre bestimmt zu spät in den Club gekommen, denn beim Wühlen in den Plattenkisten gibt es einfach kein Ende. Die Frage kam auf, wonach er denn genau suche und wie er erkenne, ob etwas interessant sein könnte? «Schwierig zu sagen, eigentlich suche ich nichts Bestimmtes, mit den Jahren erkennst du sofort, ob eine Platte etwas sein könnte oder eben nicht.» So einfach ist das also.


Mag es nicht fotografiert zu werden: Kejeblos beim Kaffee in Bern. Foto: Dominik André

Kurator und Labelmacher

Nach fast zwei Stunden im Laden war die Gage des Abends bereits re-investiert. Beim Kaffee kam sein Label Phantom Island zur Sprache. Das Label ist eine kleine Erfolgsgeschichte, denn jedes bis anhin erschienene Release war innert kürzester Zeit ausverkauft; selbst die Nachpressungen. Aber natürlich relativiert Kejeblos: «Die Platten auf Phantom Island sind Liebhaberprodukte, die wir in erster Linie für uns selbst machen. Weil wir musikalisch keinen spezifischen Sound anstreben, ist es schwierig das Label einzuordnen.» Dass sie mit den bis an hin erschienen Releases vor allem stark in Richtung Balearic gehen, stimme zwar, habe aber damit zu tun, dass es momentan die Musik ist, welche sie selbst gerne hören. Neben Kejeblos gehören auch Lexx, Foster und Ron Shiller von Drumpoet dazu und allesamt tragen sie ihren musikalischen Beitrag zum Label bei.

Hinter den Plattenspieler oder im Plattenladen

Neben seinem Studium der Populären Kulturen, das er bald mit seiner Masterarbeit abschliessen wird, arbeitet Kejeblos im Plattenladen Hum Records im Zürcher Kreis 4. Der Laden hat sich mit seinem grossen Hip-Hop-Sortiment einen Namen gemacht und hat inzwischen eine gut geführte Disco- und House-Ecke mit vielen Neuerscheinungen. Wie er sagt, möchte er das Sortiment weiter ausbauen und mit gebrauchten Disco- und House-Platten erweitern.

Stream: March Jams 2017 ( Guestmix - Kejeblos )

Als DJ hat er sein Zuhause in der Zukunft. Im Keller der Dienerstrasse 33 herrschen perfekte Voraussetzungen, um zu zeigen, was in seinem Plattenkoffer steckt. Seine Mixes sind voll rarer Stücke. - Eklektisch ist das Wort, das hier wirklich gut passt. «Auf einer Party spiele ich natürlich anderes als in einem Onlinemix. Oftmals können das die Leute aber nicht unterscheiden und schubladisieren, je nach dem was sie online gehört haben.» Er spricht damit das Problem an, dass Leute mit einer ganz bestimmten Erwartung zu seinen Gigs kommen, oder eben nicht.

Seine Mixe freuen sich auch online grosser Beliebtheit. Zum Beispiel erschien erst gerade ein Mix auf der Soundcloud-Seite des Redlight Records, der mit Lob überhäuft wurde. Beim Versuch einige Stücke zu shazamen kommt leider nicht viel Gescheites dabei heraus. «Beim Redlight Records Mix habe ich Stücke gespielt, die in den letzten drei Jahren bei mir herumgestanden sind. Der Anspruch ist natürlich für eine Institution wie Redlight Records viel höher, trotzdem möchte ich auch bei einem solchen Mix das zeigen, was ich selbst gerne höre.» Am Abend im Club bekamen wir dann zu hören, was Kejeblos zur Primetime spielt. Von der ersten Platte an, war eine Energie da, die den Raum nicht mehr verlassen sollte und das Kapitel tanzte.

Ein Thema, das auch Kejeblos beschäftigt, ist die hiesige Clubkultur. «Ich stelle fest, das die Leute einfach schnell zufriedengestellt werden wollen. Die Zeit, das überhaupt etwas entstehen kann, wird einem nicht mehr gegeben. Es gibt zum Beispiel keinen Ort, an dem man sich ausleben, oder mit kleinem Budget innovativ sein kann. Zum Stichwort Zeit ist ebenfalls zu sagen, das auch DJ-Sets oft auf ein Minimum gekürzt werden. Ein DJ kann sich in einer Stunde gar nicht entfalten.»

Wie viele in Zürich, träumt auch Kejeblos von einem Ort, an dem man zusammenkommen kann, wo gute Musik gespielt wird und der sich irgendwie von einem Café in eine Bar und, wenn es passt, auch in einen Club verwandeln kann. Das Wichtigste an einer Location sei dann auch nicht in erster Linie ein perfektes Set-up. «Viel wichtiger ist ein offenes Publikum, das sich auf die Musik einlässt.»

An dieser Stelle lüften wir noch das Geheimnis um die Bedeutung seines Alias. Kejeblos heisst in der indonesischen Sprache so viel wie «aus Versehen in ein Loch gefallen», was ihn gleich unglaublich sympathisch macht.


Titelbild: Kejeblos by Dominik André