Audiophile-Sushi-Erfahrung in London
Unser Autor Steve ist bekannt für seinen hohen Anspruch an einen guten Klang. Nachdem er in Japan die Musik-Bars entdeckte, musste er nach London, um herauszufinden, ob es stimmt, was man dem Brilliant Corners und dem Giant Steps nachsagt. Das ist sein Bericht.
Zwei Jazz-Alben geben zwei wichtigen Institutionen für Musikfans in London ihre Namen. Dahinter stecken die Brüder Amit und Aneesh, welche mit ihren eher kleinen Lokalen einen fantastischen Lärm in guter Qualität machen.
Ich war kürzlich in London und konnte endlich zwei Sachen von meiner «Musik»-Bucketlist streichen. Ich besuchte das Bar-Restaurant Brilliant Corners und den Club Giant Steps.
Vom Brilliant Corner...
Brilliant Corners, so heisst das 1957 erschienene Album des Jazz Musikers Thelonious Monk, welches der Lokalität ihren Namen gibt. Das Restaurant liegt im Stadtteil Dalston an der Kingsland Road und ist in ca. 15 Minuten mit dem Bus aus Shoreditch zu erreichen. Klein und unscheinbar von aussen überzeugt einem die Atmosphäre ab dem Betreten des gemütlichen Ortes.
Gerade wenn man eben durch Wind und Regen stapfte - britisch, stilecht. Als Inspiration des Brilliant Corners gelten Partys wie diejenigen von Lucky Cloud und Beauty and the Beat, die wiederum die berühmte Loft in New York zum Vorbild nahmen. Der Ort, dem eine hervorragende Musikanlage und Akustik nachgesagt wird.
Eine grosse Auswahl an Wein, guten Drinks - den Negroni kann ich sehr empfehlen - und ein einmaliges Sound-Erlebnis reichen eigentlich aus, doch sollte man unbedingt auch das Essen probieren. Denn das japanische Menu kann sich sehen und vor allem schmecken lassen.
Die Betreiber-Brüder Amit und Aneesh müssen Tausende Pfund in die Musikanlage investiert haben, denn in jeder Ecke steht ein Klipschhorn Lautsprecher. Diese werden von einem Bozak Mixer über Valve Amps angesteuert. Technics Plattenspieler mit Audio Technica Nadeln runden die kleine Booth ab. Alles zusammen bildet ein perfektes analoges Soundsystem.
Auf die Frage, warum sie alte Klipschhorn Lautsprecher verwenden, meinte Aneesh im Interview mit The Vinyl Factory, dass, aus welchem Grund auch immer, gewisse Dinge früher besser und beständiger gebaut wurden. Die DJs spielen meistens ab 20 Uhr. Die Musik ist nicht zu laut, sodass du gemütlich Essen und mit Freunden plaudern kannst.
...zum Giant Steps
Von der Kingsland Road gehts danach in Richtung London Stadium in Hackney. Dort ist nämlich zurzeit das «Travelling Soundsystem» des Brilliant Corners, das sich Giant Steps nennt, fest installiert.
Versteckt in einem alten Fabrik Gebäude am Fluss Lea, befindet sich das Giant Steps. Im Erdgeschoss ist ein indisches Restaurant und eine Art Garten, welcher entfernt an den Gerolds Garten in Zürich erinnert. Am Restaurant vorbei und den Pfeilen mit der Beschreibung «Giant StepsSoundsystem» gefolgt, erreicht man den dritten Stock und steht an einer Bar mit Plattenspielern. Blickst man zur rechten Seite, stehen vor einer Fensterfront wieder zwei Klipschhorn Lautsprecher und Sofas zum Sitzen.
Das Ambiente lädt zum Verweilen ein, mit Blick auf den Fluss und das Stadion von West Ham United. Geht man nach Links aus dem Raum durch einen Gang, gelangst du zur Kasse, die den Eintritt in den «Club» signalisiert.
Im Club wir immer um 16 Uhr die Nadel auf die erste Platte gelegt und die Party startet. An der Bar erzählte man uns, dass bis 18:30 Uhr eher wenig los ist und die Leute die da sind eher zuhören als tanzen. Ende ist dann allerdings schon um 23:00 Uhr, da sich das Gebäude in einer Wohngegend befindet. Oft reicht das auch aus, da die Gäste praktisch ununterbrochen tanzen und Spass haben.
Den ersten Fuss in den Raum gesetzt, lief ich schnurstracks in die Mitte der fünf von Pflanzen umgebenen Lautsprechertürme - instant Gänsehaut. Ich habe noch nie ein so gutes Soundsystem in einem Clubumfeld gehört. Die Türme bestehen aus japanischen TAD Bass Lautsprechern und La Scalas von Klipsch, die eine Variante der Klipschhorn sind aber sich besser für eine Club eignen, da sie nicht in eine Ecke gestellt werden müssen.
Als ich da war legte der 7"-Disco-König Sadar Bahar seine Platten auf und spielte ein erstklassiges Set. Abwechselnd legte er schnellen Funk, Disco Nummern und Jazz auf. Ein Song, der mir besonders in Erinnerung blieb, ist Strut Your Funky Stuff von Frantique.
Amit und Aneesh möchten ihre beiden Projekte weiter ausbauen und ihr Soundsystem auch ins Ausland bringen. Das es portabel ist haben sie schon bewiesen, haben sie doch am Farr Festival und Houghton Festival eine Stage gebaut, die mit Holzboden und BBC Technics Plattenspielern etwas Einzigartiges ist.
Ich bin froh, haben wir mit dem Kasheme einen ähnlichen Ort in Zürich. Ein Ort, an dem DJs sich ausleben, die Leute in schönem Ambiente Musik hören und Drinks schlürfen können ist unglaublich wichtig.
Titelbild: Brilliant Corners by Steve Marvin.