Der Plattenladen in der Provinz
In Winterthur gibt es einen Plattenladen. Wir haben uns mit seinem Besitzer Vasco getroffen. Er erzählt uns, weshalb man einen Plattenladen eröffnet.
Wir sind es uns gewohnt, dass wir in der Schweiz kaum einen Meter gehen können, ohne dass wir in einer neuen Gegend landen. Die Unterschiede von Ort zu Ort, von Kanton zu Kanton sind oftmals beachtlich. Ich könnte jetzt hier auf ganz vielen schweizerischen Eigenheiten herumreiten, doch ich lass das an dieser Stelle.
Wir wissen, es dreht sich vieles um Zürich, doch bei Weitem nicht alles. Im Kanton gibt es auch noch die Stadt Winterthur. Der Zürcher sagt jetzt: „Ist ja auch Zürich!“ Doch fragen wir mal den Winterthurer, was dieser dazu meint.. Im langsam aufblühenden Stadtteil hinter dem Bahnhof, dem Sulzer Areal, finden sich einige kleine charmante Örtchen. Da gibt es zum Beispiel den Portier, ein kleines Kaffee, welches zudem auch kleine Konzerte veranstaltet. Dann hat es eine Brockenhalle, das Kraftfeld und den Plattenladen Ventilator Records. Letzterer besuchte ich, um etwas über ihn in Erfahrung zu bringen
Mit Vasco, dem stolzen Besitzer, traf ich mich auf einen Kaffee und er erzählte mir, wie sich der Laden entwickelt hat und wie es in der Zukunft weitergehen soll: «Begonnen hat es damit, dass ich auf eBay Singles kaufte, zum Teil ganze Sammlungen, und ich mir dann die besten rauspickte und den Rest wieder online stellte. Das entwickelte sich dann weiter, und als ich die Chance hatte, mich hier einzumieten, nutzte ich diese. So die Kurzfassung, wie alles vor 4 1/2 Jahren begann», erzählte mir Vasco.
Vor einem Jahr dann der Umzug, ein paar Türen weiter nach vorne, in einen wesentlich grösseren Raum, sodass es jetzt auch möglich ist, alle, oder zumindest den grössten Teil der Platten anzubieten. Das Angebot ist längst nicht mehr auf Singles beschränkt. «Die Nachfrage nach LPs ist einfach grösser als nach Singles», so Vasco. Mit der neuen Location gibt es jetzt auch die Möglichkeit, um kleinere Konzerte und Grillpartys zu veranstalten. Da ist noch einiges in Planung und einige Ideen warten auf ihre Umsetzung, wie er mir weiter verriet. Allgemein sei zum Standort Winterthur zu sagen, dass es immer eine gewisse Anlaufzeit benötigt, bis der Winterthurer oder Winterthurerin sagen kann: «Ja, das ist gut.» Er muss sich sozusagen erst davon überzeugen, dass es kein totaler Mist ist. Diese Eigenheiten führen dazu, dass es immer etwas länger dauert, bis etwas Neues in die Gänge kommt, sprich der Erfolg lässt sich etwas Zeit in Winterthur.
Diese Anlaufzeit hat der Ventilator Records nun überwunden. Zudem konnte, mit dem neuen Laden, die Reichweite und das Angebot vergrössert werden. Man findet ein breites Sortiment; von Rock, über Jazz, Metall bis hin zu neuen elektronischen Platten. Ich fragte ihn, ob er Zürich mit dem grossen Angebot an Plattenläden als Konkurrenz sieht: «Meine Kunden sind froh, nicht mehr nach Zürich reisen zu müssen. Jetzt können sie in der Nähe Platten kaufen oder sie zur Bestellung in Auftrag geben und sie hier im Laden abholen.»
Man stellt fest, dass es ein Ungleichgewicht von Zürich zu Winterthur gibt und dieses nicht beim Angebot der beiden Städte zu finden ist. Das Ungleichgewicht existiert in den Köpfen. Die Stadt scheint Mittelpunkt für die drehenden Scheiben zu sein und Winterthur ist trotz ihrer Größe noch etwas verschlafen. Eine "Szene" wie in Zürich, die sich mit der Stadt identifiziert und dies auch auslebt, gibt es nicht oder nur winzig klein, was es für Kulturschaffende schwerer macht, Fuss zu fassen.
Für Vasco und den Ventilator Records dreht sich das Vinyl weiter und bleibt bis auf Weiteres Winterthurs einziger Plattenladen. Verstecken muss er sich mit dem Angebot aber keines Falls! Es war ein sehr spannendes Kaffeegespräch bei dem sich zeigte, dass mit dem Ventilator Records ein Ort existiert, wo Vinylnerds und Musikliebhaber zusammenkommen, um sich über ihr Lieblingsthema zu unterhalten.
Titelbild: Ventilator Records by Dominik André