«Print wird nie verschwinden»
Wir haben den Initianten des Print Matters – Maurice Müller – zum Interview in seinem neuen Laden an der Hohlstrasse getroffen. Im Sortiment befinden sich nebst Klassikern auch Magazine, die Trendthemen aufgreifen.
Update: Schweren Herzens mussten wir am 8. November 2021 Abschied vom Print Matters Store nehmen.
Via Crowdfunding machte Print Matters auf sich aufmerksam und hat jetzt eine eigene Adresse an der Hohlstrasse im Langstrassenquartier. Der frisch eingerichtete Laden lädt mit breit gefächertem Sortiment in die inspirierende Welt der unabhängigen Magazine ein. Trotzdem fragt man sich: «Print im digitalen Zeitalter, echt jetzt?»
Ganz ohne Zögern und wie aus der Pistole geschossen antwortet Maurice: «Ja! Ich bin mir sicher, dass es momentan einen totalen Nischenboom gibt. Der Print-Mainstream stirbt weg.» Gleichzeitig wachse der Markt der unabhängigen Printmagazine. Dies sei zu vergleichen mit dem Phänomen der Schallplatten, die in den letzten Jahren ebenfalls ein Revival erlebt haben.
«Es ist eine spannende Beobachtung, denn sobald Dinge wegfallen, werden Menschen melancholisch. Sie wollen das Alte zurück und sind plötzlich wieder bereit, Geld für Qualität auszugeben», vertieft Maurice. Der Gedanke an das, was nicht mehr ist, sei ein Wert, den man zurückhaben möchte. «Print wird nie verschwinden, gerade wegen dieses Nostalgiewertes.»
Der Mainstream als Korsett
Menschliche Verlangen und Emotionen wie eben beispielsweise Nostalgie würden in unabhängigen Magazinen freier ausgelebt werden als in den Mainstream-Medien. Jene sind auch freier in der Gestaltung, da sie keine Auflagen von Werbekunden bekämen und «einfach machen, was sie wollen». Das mache die unabhängige Magazine spannender und natürlich auch viel experimenteller.
Es werde öfters Neues ausprobiert und mehr gewagt, schwärmt Maurice. Allerdings gäbe es mittlerweile auch ein paar unabhängige Titel, die in den Mainstream gefallen sind. Beispielsweise das Monocle, Reportage, Gentle Women und Kinfolk. «Die Grenze zum Mainstream ist schwammig. Dennoch sind diese Magazine interessant und in der Schweiz trotz ihrer Bekanntheit nicht am Kiosk erhältlich».
Maurice Müller selbst entdeckte seine Faszination für Print durch den ersten Print-Matters-Pop-Up-Store. Er war ausserdem viel in München unterwegs und stöberte dort im Soda Books Store. Das war auch ein Stück weit das Vorbild für Print Matters. Durch ein Volontariat bei der NZZ kam Maurice dem Print näher und so begann die Romanze. Print-Matters-Magazine findet ihr auch in Kafis oder ausgewählten Coiffeursalons in Zürich.
Durch permanenten Austausch zum Sortiment
Bei der Sortimentauswahl ging Maurice nach Instinkt, Thema und Cover: «Das Cover spricht einen immer als erstes an. Ich bin sehr ein visueller Mensch und ich lasse mich von Blogs und anderen Läden inspirieren. Durch mein Studium, mein kreatives Umfeld und meine Freunde bekomme ich auch gute Inputs.»
Nebst den Tipps aus dem Umfeld verhelfen Maurice auch Messen neue Ideen: «Die Indiconzum Beispiel ist hilfreich und inspirierend.» Wichtig sei jedoch der permanente Austausch. «Ich werde oft angeschrieben. Natürlich nicht nur von guten Publikationen», sagt Maurice lachend.
Themen der Moderne: Erotik, das Mannsbild und Mental Health
«Ich will einen Wechsel in den Laden bringen. Es soll ein Mix aus neuen, permanenten und wechselnden Themen sein. Auch Classics und Newbies sollen Platz haben.» Ziel sei es, immer etwas Neues entdecken zu können, wenn man den Laden betritt. Erotik sei ein Thema, das gerade in den unabhängigen Magazinen enorm boomt. «Das wollte ich unbedingt aufgreifen», sagt Maurice.
Auch im homoerotischen Bereich tue sich gerade echt viel, was unabhängige Magazine angeht. «Dinge, die ich unbedingt mit einbinden möchte, sind Mental Health und Magazine über das neue Mannsbild als Gegenpol zum Feminismus», sagt Maurice über das Sortiment im Store.
Ein Laden am Puls der Kreativszene
«Ich wollte unbedingt in den Kreis 4, weil da meine Zielgruppe unterwegs ist», sagt Maurice über den Standort seines Ladens. Zudem werde das Klientel wahrscheinlich zu 50 Prozent aus der Kreativbranche stammen. «Man muss dort hingegen, wo die Leute sind. Nur so funktioniert es», sagt Maurice. Leute kämen auch gerne an Events, wenn sie nicht weit gehen müssen.
«Um den Print-Matters-Store herum gibt es genug Leben, und sobald das Ladenschild hängt, sieht man uns auch», ist sich Maurice sicher. Zudem sprächen Leute bereits jetzt über den Laden, obwohl er noch nicht mal offen ist. Dies sei dem Crowdfunding zu verdanken. «Die Leute fühlen sich durchs Spenden dem Laden verbunden. Sie sind schliesslich auch Teil davon», so Maurice.
Print Matters: Mehr als nur eine Ladenfläche
Der Store ist aber nicht nur eine Ladefläche: Print Matters soll auch eine Bühne für Kreative werden. Akustikkonzerte seien angedacht, alles in einem kleinen Rahmen. «Die Möbel sind extra flexibel konzipiert», sagt Maurice. Tische können auseinandergenommen werden und Magazinflächen werden zu Bänken.
Ein Lager gibt es im Laden nicht. In der Küche stapeln sich die Magazine deshalb bis unter die Decke. «Ich stelle mir das toll vor und denke, dass dies ein Treffpunkt für Lesungen, kleine Konzerte und Launches werden kann. So ein gemütliches Zusammenkommen. Je nachdem, was sich ergibt», erklärt Maurice das Konzept. Der erste Event wird der Zine-Launch vom Zürcher Magazin Jean&Shaun Numero Uno! sein.
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