Raven, als gäbe es kein Morgen
Der Film «Beats» erzählt die Geschichte von zwei schottischen Teenagern: Begleitet von einem tollen Soundtrack kulminieren 1994 an einem Rave Freundschaft, Rebellion und die Euphorie der Jugend.
Im Mai 1992 veranstalteten Spiral Tribe und weitere englische Sound Systems bei Castlemorton einen illegalen Outdoor-Rave, der mit über 30'000 Besuchern sieben Tage dauerte und für grosses Medienecho sorgte. Auch als Folge davon führte die britische Tory-Regierung 1994 den «Criminal Justice and Public Order Act» ein.
Das Gesetz enthält den berühmt-berüchtigten Passus, der sich mit einem Verbot gegen unbewilligte Zusammenkünfte richtet, an denen verstärkte Musik gespielt wird, «wholly or predominantly characterised by the emission of a succession of repetitive beats». Das Gesetz und die Proteste dagegen bilden den historischen Hintergrund von Brian Welshs Spielfilm «Beats».
Verbunden durch die Musik
In einer schottischen Kleinstadt treffen wir im Jahr 1994 auf zwei Teenager, den zaghaften Johnno (Cristian Ortega) und den überdrehten Spanner (Lorn Macdonald). Die Wege der beiden Freunde werden sich bald trennen, weil Johnno mit seiner Mutter und dem Stiefvater, einem Polizisten, aus den tristen Sozialbauten in eine bessere Wohngegend ziehen wird. Während Spanner mit seinem kriminellen älteren Bruder zusammenwohnt.
Die beiden verbindet auch die Begeisterung für elektronische Musik, die sie sich via einen Piratensender ins Zimmer holen. Dort propagiert der Anarcho-DJ D Beats und Politik: «This is not just a party, this is a protest.» Eingeführt von drei coolen, etwas älteren Girls, lernen Johnno und Spanner dann diesen D (ein eindrücklicher Ross Mann) und sein Studio in einem leeren Fabrikareal kennen.
Von dort geht es mit dem Auto an einen illegalen Rave, der, wie damals üblich, kurzfristig über einen Telefonbeantworter bekannt gegeben wird: «Prepare to drop the fuck out.» Doch «Beats» ist nicht einfach ein Party-Film. Er verbindet Humor – das Schottische hat da ganz eigene Akzente – mit Drama und einem genauen sozialen Blick. Regisseur Welsh zeigt dabei viel Sympathie für seine Figuren.
Kameramann Benjamin Kracun hat für die Geschichte schöne schwarz-weiss Bilder kreiert, die dieser Welt nicht nur den Touch des Vergangenen geben. JD Twitch vom Duo Optimo aus Glasgow hat einen superben Soundtrack mit Tracks von damals zusammengestellt: Human Resource, Prodigy, Outlander, LFO. «Total Confusion» von A Hippie, A Homeboy & A Funki Dredd für den Protest. «Big Fun» von Inner City und «Anthem» von N Joy für die Euphorie. Auch Kleidung und Ausstattung widerspiegeln sehr gut die frühen 90er-Jahre.
Am Rave kommt dann alles zusammen: die Freundschaft von Johnno und Spanner, Rebellion, Ecstasy und LSD, der erste Kuss zwischen Boy und Girl und Boy und Boy und das Gefühl, dass dieser Moment und die Jugend ewig dauern werden. Und plötzlich kommen mit Super-8-Animationen von Digitalkünstler Weirdcore, der schon für Aphex Twin und M.I.A. gearbeitet hat, Farben in den Film. Bis die Polizei dem Ganzen mit Knüppeln ein Ende setzt.
Nach dem Rave wird die Geschichte noch kurz weitererzählt. Doch Welsh lässt die Figuren in diesem Moment und bei ihren ganz eigenen Charakteren stehen und nachwirken. Er verzichtet auf eine endgültige Wertung und einen Blick in die Zukunft. Dieser erfolgt dann erst im Abspann. So ist ihm und seinen Schauspielern und Schauspielerinnen eine wunderbare Hommage an die Zeit der Warehouse-Raves, an die Freundschaft und die Liebe zur Musik gelungen, die sich nicht nur für angegraute Old-School-Raver lohnt.
«Beats», von Brian Welsh, GB 2019, 101 min.
Läuft jeweils Freitag und Samstag um 22.50 Uhr in der Originalversion mit englischen Untertiteln im Zürcher Kino Riffraff. www.riffraff.ch
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