Dekmantel Selectors: Achtung Seeigel!

Dekmantel Selectors Von Steve am

Seeigel warteten in der Lagune auf wunde  Raver-Füsse. Vorsicht war geboten. Zu viel Vorsicht zeigte auch manch  ein DJ am Selectors 2017 beim spielen.

Selector - der zurzeit vielleicht meist begehrte «Titel» in  der DJ-Szene. Aber was macht einen DJ zu einem sogenannten Selector? Da  scheiden sich die Geister. Ich bezeichne einen DJ als Selector, wenn er  interessante und ungehörte Musik in einem ansprechenden Konzept spielt,  sodass auch vermeintlich nicht-funktionale Stücke mich als Tänzer  mitreissen. Eine offene Einstellung zur Musik, ein gutes Ohr für den  Dancefloor und ein Gespür, Musik so zu verpacken, dass die Crowd einem  zuhören will. Im Endeffekt sollte aber jeder DJ das spielen, was er den  Leuten zeigen will und nicht das, was sie bereits den ganzen Tag auf  Spotify hören. - Sollte.

Video: dkmntl/Selectors: Sassy J

Das Label Dekmantel hat unbestritten einen festen  Platz in den Reihen meiner beliebtesten Labels eingenommen. Ob mit den  vielen Partys, ihren Festivals in Amsterdam, Kroatien oder Rio, ihren  Releases von renommierten Künstlern, die Leute hinter Dekmantel ziehen  ihr Konzept kompromisslos durch. Kompromisslos heisst: mit viel Liebe  zum Detail ohne Qualitätsabstriche.

Das Selectors in Tisno, welches dem Vorbild der Selectors Stage am  Dekmantel Festival in Amsterdam folgt, ist ein kleines Fest für 1'500  Musikbegeisterte mit dem Drang, ihre Lieblingsplattenleger in einer  intimen Atmosphäre direkt am Meer spielen zu hören. Das Programm  erstreckt sich über fünf Tage, wobei sich die DJs auf vier Bühnen  verteilen. Zusätzlich legte drei Mal am Tag das Schiff für die  Bootspartys direkt vom Strand ab. Dem Line-up / Timetable könnt ihr die  Fülle an verschiedenen Acts erkennen.

«A good selector plays their own records, exactly the way they want  to, without any trend boundaries or any other bullshit influences from  the outside. I think it’s pretty hard to reach that point - it takes  loads of time and work! Beyond that, the best DJs are always having fun,  giving fun, being generous and honest.» - Zaltan

Der Tag beginnt jeweils an der Beach Bar, wo die DJs gemütliche Musik  zum Planschen im Meer (aber Achtung Seeigel!) spielten. Bis hin zu  Techno war jedoch alles möglich, so auch, dass plötzlich aus relaxter  Strandstimmung ein Strandrave wurde. Mein Highlight auf dieser Stage war  das spontane B2B von Jamie Tiller und Orpheu The Wizard.  Die beiden Red Light Radio Residents spielten 6 Stunden und die Leute  tanzten, was das Zeugs hielt. Weitere herausragende Sets, um den  Vorabend auszuschlafen und in den nächsten Festivaltag zu starten, kamen  von Volcov und von Tako & Izabel.  Um 18 Uhr war dann allerdings Schluss am Strand und die Sets auf der  Voodoo, der With A View und der Beach Main Stage begannen.


Blick zur Beach Bar-Stage: Man tanzt zu balearischen Klängen.

Die Voodoo Stage hat ihren Namen wegen ihres Looks und der Musik, die gespielt wurde, bekommen. Künstler wie Objekt, Lena Willikens, Cinnaman, Robert Bergmann und Interstellar Funk lieferten Sets der Extraklasse. Auf dieser Bühne hörte man vor allem  industrielle Sounds, New Wave, Garage und harten Techno. Ein gewisser  Artist, der alle diese Genres für mich perfekt abgedeckt hat, war der  Golden Pudel Resident Phuong-Dan aus Hamburg. Mit  seinem Set erzählte Dan eine tiefe Geschichte und versetzte uns alle in  Trance. Dass die Sonne während dem er spielte, hinter der Stage  verschwand, untermalte das ganze mit einer Stimmung, die nicht besser  zum Moment passen konnte.


Phuong-Dan startet auf der Voodoo Stage.

Im Gegensatz zur darken Voodoo Stage (auf Licht wurde hier beinahe  gänzlich verzichtet), kam auf der Beach Main eher Funkiges, wie Disco  und House auf die Plattenteller. Eher, weil doch auch  renommierte DJs, von denen man eigentlich dachte, man wisse, was man  erwarten konnte, sehr technolastig spielten. Einigen war das vielleicht  nicht ganz so lieb, es passt aber wunderbar in den Selectors-Gedanken.  Dieser sagt, dass man auch mal ein Set fernab von Altbekanntem spielen  darf. Hier zeigten Crate Diggers wie Zaltan aus Paris, die Bernerin Sassy J oder auch der kanadische DJ des Plattenladens Invisible City ihre ganze Klasse.

Voll eingeschlagen haben wie gewohnt die Rush Hour-Helden Antal und Hunee. Ich glaube, keiner kann einen Rotary Mixer so gezielt einsetzen wie Antal. Ich war hin und weg und musste mir gleich 1-2 Dinge abschauen. Hun Choi, wie Hunee bürgerlich heisst, überzeugte vor allem durch seine kompromisslose  Selektion. Es ist wirklich beeindruckend, wie es der Wahlberliner in nur  drei Stunden von 80 BPM auf 160 BPM und wieder zurück schaffte, ohne  dabei den Faden zu verlieren. Chapeau!


Young Marco auf der Beach Main Stage.

Falls man nach maximal 14 Stunden Musik auf dem Festival Gelände noch  die Kraft hatte, konnte man sich noch die Nacht im Openair Club Barbarellas um die Ohren schlagen. Uns fehlte dazu jeweils die Energie, doch ein Set des Düsseldorfers Vladimir Ivkovic hätte ich mir gerne angehört.

Dekmantel weiss wirklich, wie man ein beispiellos  gutes Festival organisiert. Hut ab und danke für die schönen 5 Tage. Ich  kann nur jedem empfehlen, sich selber ans Selectors zu begeben um sich  Musikalisches eine neue Welten zu eröffnen.Nun bin ich wieder im Zürcher Einheitsbrei angekommen...


Titelbild: Selectors by Dominik André